Dienstag, 16. Oktober 2007
Uri Avnery in München - Paria im Zentrum der Bewegung.
Am 16. Oktober 2007 hielt Uri Avnery auf Einladung der altehrwürdigen "Gesellschaft für Außenpolitik" einen Vortrag im Festsaal des Museums für Völkerkunde. Über 300 Gäste kamen und mußten teilweise stehen, um das israelische Urgestein Uri Avnery erleben zu können.
Der Veranstalter ist derart zurückhaltend, daß er den zuvor vorhandenen Hinweis auf den Vortrag des weltbekannten Friedensstifters und Träger des alternativen Nobelpreises von seiner Website entfernt hat:

http://www.foreign-affairs.info/veranstaltungen.html

Inzwischen ist auch der erste, leider auch einzige Artikel über den Vortrag erschienen:

http://politblog.net/medien/es-gibt-nur-eine-loesung-frieden-in-nahost.htm#more-1680



Am Rande war zu erfahren, daß der Oberbürgermeister von München ein Treffen mit Uri Avnery abgelehnt hatte. Kein Wunder in der Hauptstadt der Bewegung, in der Charlotte Knobloch mit Argusaugen darauf achtet, daß kein Politiker, kein Moderator, kein Autor und kein Journalist öffentlich auch nur eine Zeile zu Israel denkt, sagt, oder gar sendet oder schreibt.



Bauen zum Vergessen: Ude und Knobloch.
Avnery über Charlotte Knobloch: "Sie ist eine sehr nette Dame, aber ich bin nicht ihrer Meinung".

Sie und der Zentralrat der Juden haben dieser Stadt ein Museum und eine Synagoge aufgezwungen, in denen Israel nicht erwähnt werden darf, sondern nur der Holocaust. Es sind keine Orte der Begegnung mit Geschichte und Gegenwart jüdischer Kultur. Es sind Frontposten einer entfesselten Miltärdiktatur, die die lange europäische Geschichte der Juden instrumentalisiert, um von der Tatsache abzulenken, daß seit 40 Jahren 3,5 Millionen Menschen unter inhumanen Bedingungen in Lagern in Israel leben müssen, ohne Hoffnung, daß sich das je ändert.

Kein Fernsehteam und nur wenige alternative Journalisten waren deshalb zugegen, als Avnery die Geschichte des 120-jährigen Konfliktes größtenteils als Zeitzeuge erzählte, denn der in Deutschland geborene Avnery ist bereits 1933 nach Palästina ausgewandert. Er kämpfte 1946 gegen die Briten und wirkte dann - so seine Aussage - an der Vertreibung der Palästinenser mit.
Begin, Peres, Rabin, Sharon - Avnery kannte sie alle als Soldat und als Knesset-Abgeordneter. Golda Meir, die ihm in einer Parlamentdebatte sagte "Es gibt kein palästinensisches Volk", antwortete er: "Dann sind dann 6 Millionen Menschen kein Volk!"

Sein Vortrag hatte mehrere Highlights, so räumte er mit der Vorstellung auf, das Judentum sei eine militante Religion: "Die jüdische Religion wird vom israelischen Nationalismus mißbraucht", sagte der bekennende Atheist.
Beifall kam auch auf, als er die Zuhörer aufrief, auf die deutschen Medien einzuwirken, über die israelische Friedensbewegung zu berichten. Während des Libanon-Krieges etwa hätten bis zu 10.000 Israelis gegen den Krieg demonstriert, ohne daß deutsche Medien dies gemeldet hätten.
Er selbst, erzählte Avnery, dürfe nun nicht mehr nach Gaza reisen. Gaza sei völlig isoliert, auch durch das Verhalten der EU, die zugesagten Unterstützungen für die Palästinenser nicht zu gewähren.
Als er in den 80ern nach Beirut gefahren sei, um Arafat zu treffen, hätten mehrere Minister verlangt, ihn wegen Hochverrat anzuklagen.
Nach Avnerys Auffassung gibt es keine Alternative dazu, mit der Hamas zu verhandeln, die die erste demokratisch gewählte arabische Regierung sei. Auch die PLO sei anfangs als Gesprächspartner nicht akzeptiert und als Terroristen abgestempelt worden.
Beide Seiten seien nun bereits in der 5. Generation gegeneinander erzogen worden, so daß sie miteinander den Konflikt nicht lösen könnten. Die Europäer hätten sich leider völlig zurückgezogen. Er erwähnte ein Gespräch mit Joschka Fischer, in dem dieser ihm gesagt hätte, nur die Amerikaner könnten etwas bewirken.
Im Gegensatz dazu sieht Avnery die Europäer in der Pflicht, die traditionell viel mehr Verbindung zu Israel haben, das ja fast nur aus europäischen Emigranten besteht.
Avnery bekannte, gerade die besondere Liebe zu Israel erfordere es, die israelische Regierung unter Druck zu setzen, die UN-Resolution 242 zu befolgen. Sie fürchte sich aber, die 400.000 Siedler von ihrem besetzten Land zu vertreiben. Auch auf den Golan-Höhen lebten 20.000 Siedler der Arbeiterpartei, weshalb diese nicht an Syrien zurückgegeben werden.

Demo für Siedlungen

120.000 Israelis demonstrierten 2004 gegen die Aufgabe der Siedlungen. Tourismusminmister Beni Elon zu Sharon: "Wir erinnern dich an die Tage, als du sagtest, es gebe bereits einen palästinensischen Staat im Ostjordanland, und seine Hauptstadt sei Amman."

500.000 demonstrierten auch nach dem Mord an Itzak Rabin. Aber mit weniger Erfolg: Die Siedlungspoitik der ethnischen Säuberung wird bis heute fortgesetzt.

Fazit: Appelle der Vernünftigen und Guten an eine Regierung, für die Vernunft bereits ein Eingeständnis von Schwäche und Dialog eine Kapitulation darstellt.
Eine Regierung, die die Sprache der Diplomatie, Verträge und Kompromisse nicht kennt, aufgewachsen in einer Tradition der Gewalt, des Mißtrauens, des Hasses und der Apartheit.
Das überwiegend ältere Publikum, hochgebildete Pensionäre, nickte andächtig und spendete eher zurückhaltend Beifall. Man hatte das Gefühl, daß es sie nicht wirklich anging.
München ist eine friedliche, extrem sichere und reiche Stadt, in der die Welt der Lager, der Demütigung und des Terrors weit weg ist. Keiner der Pensionäre würde vor der Süddeutschen, vorm Münchner Merkur, vor Focus und dem BR demonstrieren, Münchner Medien, die doch weitgehend die israelische Friedensbewegung ignorieren und in denen nie die Sache der Palästinenser erwähnt wird.
Eine Dame erklärt schließlich, sie sei von der Initiative von Prof. Rolf Verleger. Es ist eine Initiative von deutschen Juden.
Deutsche, so zeigte sich auch diesmal, können, wollen und dürfen sich nicht für Frieden in Israel engagieren. Noch nicht, denn irgendwann wird der Vorwurf, sie seien antisemitisch, nicht mehr greifen und der Appell an den Holocaust wird nicht mehr den eigenen ethischen und politischen Verstand stilllegen.
Aber ob das Uri Avnery noch erlebt?
Es wäre ihm zu wünschen.

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